1. Wie die „Brille“ unser Leben bestimmt
Stellen Sie sich vor, Sie tragen seit Ihrer Kindheit eine „Brille“ – aber Sie wissen nichts davon. Diese „Brille“ färbt alles ein, was Sie sehen. Sie verzerrt Formen, blendet manche Dinge komplett aus und hebt andere hervor. Und das Entscheidende: Für Sie ist das gefilterte Bild die Wirklichkeit – Sie haben kein anderes! Genau so funktioniert unsere Wahrnehmung!
Die „Brille“ unserer Wahrnehmung bekommen wir – ohne unser Zutun – während unserer Sozialisation in Kindheit und Jugend aufgesetzt. Durch sie lernen wir, die Welt und uns selbst auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu sehen und zu interpretieren.
2. Was die Brille unserer Wahrnehmung mit uns macht
Durch diese früh erworbene Brille lernen wir:
- Situationen zu deuten: Ist das, was gerade passiert, eine Bedrohung oder eine Chance? Ein Problem oder eine Herausforderung?
- Fragen zu stellen – oder eben nicht: Manche Möglichkeit sehen wir gar nicht erst, weil unsere „Brille“ sie ausblendet.
Bestimmte Gefühle zu empfinden: Parallel zu unserer Gehirnentwicklung verknüpfen wir Situationen automatisch mit Gefühlen – und handeln entsprechend
Das Fatale daran: Es ist unsere Brille, aber sie ist nicht von uns! Sie basiert auf den Erfahrungen, Bewertungen und Verhaltensweisen anderer Menschen. Die Brille ergibt unsere subjektive Realität – aber nicht die objektive Wirklichkeit!
Warum zwei Menschen eine Situation völlig unterschiedlich erleben
Durch unsere individuelle „Brille“ sehen wir ein Leben lang:
- Unsere Realität und unser Leben
- Uns selbst und unseren Wert
- Unsere Probleme und unsere Möglichkeiten
Unser Gehirn filtert dabei sogar automatisch alle Informationen heraus, die nicht zu seinen Erwartungen passen – ohne dass wir es überhaupt bemerken. Wir nehmen nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit wahr, und dieser Ausschnitt ist gefärbt und verzerrt.
Deshalb gibt es:
- Menschen, die überall Chancen sehen – weil sie Chancen erwarten
- Menschen, die überall Ärger wittern – weil sie Ärger erwarten
Menschen, die Erfolge erleben – weil sie Erfolge erwarten
Zwei Personen in derselben Situation erleben die Situation völlig verschieden durch ihre verschiedenen Brillen. Sie nehmen unterschiedliche Dinge wahr, bewerten sie unterschiedlich und kommen deshalb zu unterschiedlichen Gefühlen und Handlungen. Das ist die wahre Ursache vieler Konflikte und Missverständnisse.
Das 90-Prozent-Problem: Wenn unsere Wahrnehmung uns selbst im Weg steht
Ich bin überzeugt: 90 Prozent unserer Probleme sind Folgen unserer subjektiven Wahrnehmung. Sie entstehen durch unsere unzutreffende oder unvollständige Sicht der Realität – der Welt, von uns selbst und unserer Möglichkeiten.
Wir alle haben weitaus mehr Möglichkeiten und könnten viel mehr Chancen nutzen – wenn wir sie überhaupt erst sehen könnten!
3. Die Vererbung der Wahrnehmung
Wenn Eltern ihre Situation nicht realistisch sehen wollen, über ihre Probleme schimpfen, sich aber nicht zutrauen, sie selbst zu lösen – wenn sie lieber nach dem Staat oder anderen rufen (erlernte Hilflosigkeit) –, dann vermitteln sie genau diese Bewertung, diese Sichtweise ihren Kindern.
Die Kinder übernehmen diese „Brille“. Sie sehen ebenfalls keine Chancen, weil sie durch die Brille ihrer Eltern schauen. Hätten sie eine andere „Brille“ bekommen, würden sie Möglichkeiten erkennen, wo sie jetzt nur Grenzen oder Hindernisse sehen.
Dieses Wahrnehmungsmuster vererbt sich von Generation zu Generation – bis jemand den Einfluss der „Brille“ erkennt und korrigiert. Oft geschieht das durch ein starkes Vorbild oder eine einschneidende Erfahrung.
4. Das Dilemma: Wie erkennt man eine Brille, die man nicht sieht?
Hier liegt das Kernproblem: Wir können den Einfluss unserer „Brille“ nicht objektiv erkennen. Wir wissen nicht, was wir nicht sehen. Wir bemerken die Verzerrungen nicht, weil wir, das was wir sehen, für die Realität halten.
Das geht allen Menschen so – niemand ist davon ausgenommen!
Der Ausweg: Ihr Leben als Spiegel Ihrer Wahrnehmung
Da Ihre „Brille“ die objektive Wahrnehmung unmöglich macht, gibt es einen klugen Umweg.
Achten Sie auf das, was Ihnen widerfährt – besonders auf wiederkehrende Muster:
- Welche Probleme haben Sie immer wieder?
- Welche Konflikte tauchen in verschiedenen Lebensbereichen auf?
Welche negativen Erfahrungen wiederholen sich?
Das, was Ihnen immer wieder widerfährt, ist ein Spiegel Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Wahrnehmungsfilter. Es ermöglicht Ihnen Rückschlüsse auf Ihre „Brille“.
Die Kunst der bewussten Wahrnehmung
In jeder Situation ist es klug, einen Moment innezuhalten und bewusst vorzugehen:
- Verschaffen Sie sich ein möglichst objektives Bild der Realität (soweit Ihre „Brille“ das zulässt)
- Stellen Sie kluge Fragen, die neue Perspektiven eröffnen
- Wägen Sie Möglichkeiten ab, statt sofort zu reagieren
Handeln Sie dann mutig auf Basis dieser erweiterten Sicht
Je bewusster Sie mit Ihrer Wahrnehmung umgehen, desto klarer wird Ihr Blick auf die Wirklichkeit: Sie erkennen mehr Möglichkeiten für sich (Sie trauen sich mehr zu) und nehmen mehr Chancen wahr! Dafür wünsche ich Ihnen gutes gelingen!